Möglichkeiten der Strafverteidigung

Je früher Sie einen Verteidiger beauftragen, desto mehr Verteidigungsoptionen hat dieser für Sie. Ziel der Verteidigung sollte sein, das realistisch bestmögliche individuelle Ergebnis für den Beschuldigten zu erzielen. Erfahren Sie, wie ein Strafverfahren abläuft und welche Möglichkeiten der Verteidigung sich unter anderem in den einzelnen Abschnitten bieten.

ErmittlungsverfahrenZwischenverfahrenHauptverfahrenRechtsmittelverfahrenStrafvollstreckungsverfahren

Ermittlungsverfahren

Das Strafverfahren beginnt mit dem Ermittlungsverfahren. Dessen Einleitung setzt das Vorliegen eines sogenannten Anfangsverdachts gemäß § 152 Abs. 2 StPO voraus, also zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat. Hier ermitteln vor allem Staatsanwaltschaft und Polizei. Der Beschuldigte kann bereits vernommen und Zeugen können gehört werden.

Als Beschuldigter sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen! Dieses darf nicht zu Ihrem Nachteil verwendet werden. Sollten Angaben zur Sache sinnvoll sein, können diese nach Akteneinsicht jederzeit nachgeholt werden.

Neben der Akteneinsicht gemäß § 147 StPO kann ein Strafverteidiger in diesem Verfahrensstadium auch Rechtsschutz gegen Ermittlungsmaßnahmen betreiben, etwa durch Beschwerde gegen die Beschlagnahme eines Smartphones.

Hält die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen für abgeschlossen, kann sie Anklage erheben, einen Strafbefehl beantragen oder das Verfahren einstellen.

Eine Anklage setzt das Vorliegen eines sogenannten hinreichenden Tatverdachts voraus. Ein solcher liegt vor, wenn bei vorläufiger Beurteilung der Beweislage eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher ist als ein Freispruch(vgl. §§ 170 Abs. 1, 203 StPO). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen.

Darüber hinaus sind auch sogenannte Opportunitätseinstellungen gemäß §§ 153 ff. StPO bzw. § 45 JGG möglich, etwa wenn an der Strafverfolgung kein öffentliches Interesse besteht.

In diesem Verfahrensabschnitt kann ein Strafverteidiger eine sogenannte Schutzschrift an die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel der Einstellung des Verfahrens fertigen. Ist eine Einstellung nicht zu erwarten, kann zumindest versucht werden, eine reputationsgefährdende Hauptverhandlung über den Weg des Strafbefehlverfahrens zu vermeiden.

Zwischenverfahren

Das Zwischenverfahren wird durch die Einreichung der Anklageschrift beim zuständigen Gericht eingeleitet. Das Gericht prüft daraufhin, ob auch aus seiner Sicht ein hinreichender Tatverdacht vorliegt.

Bejaht das Gericht diesen, eröffnet es das Hauptverfahren (Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO). Bei teilweiser Bejahung (z. B. nur für einen Teil von mehreren angeklagten Taten) erfolgt eine teilweise Eröffnung. Verneint das Gericht den hinreichenden Tatverdacht, beschließt es die Nichteröffnung des Hauptverfahrens(Nichteröffnungsbeschluss nach § 204 StPO).

Auch im Zwischenverfahren sind Einstellungen aus Opportunitätsgründen gemäß §§ 153 ff. StPO, § 45 JGG möglich.

Ein Strafverteidiger kann in diesem Verfahrensstadium unter anderem eine Nichteröffnung des Hauptverfahrens oder die oben genannten Einstellungen beantragen und begründen.

Hauptverfahren

Das Hauptverfahren beginnt mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses. Zunächst erfolgt in diesem Verfahrensabschnitt die Vorbereitung der Hauptverhandlung, etwa durch Terminfestlegung und Ladung der Beteiligten.

Danach findet die Hauptverhandlung vor dem zuständigen Gericht statt, die regelmäßig öffentlich ist. Auch im Hauptverfahren sind Opportunitätseinstellungen gemäß §§ 153 ff. StPO bzw. § 45 JGG möglich.

Der Ablauf der Hauptverhandlung ist in den §§ 243 ff. StPO genau geregelt.

Sie beginnt mit dem Aufruf zur Sache. Der Vorsitzende stellt die Anwesenheit u. a. des Angeklagten, des Verteidigers sowie der geladenen Zeugen fest. Danach verlassen die Zeugen den Sitzungssaal, und der Angeklagte wird über seine persönlichen Verhältnisse vernommen.

Anschließend verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Das Gericht teilt hiernach mit, ob Gespräche über eine Verständigung (§ 257c StPO) stattgefunden haben und, wenn ja, deren Inhalt.

Hierauf wird der Angeklagte auf sein Schweigerecht hingewiesen und – soweit er zur Aussage gewillt ist – zur Sache vernommen.

Danach erfolgt die Beweisaufnahme. Diese kann z. B. das Verlesen von Urkunden oder die Vernehmung von Zeugen beinhalten, wobei auch der Angeklagte, der Verteidiger und der Staatsanwalt ein Fragerecht haben.

Anschließend halten der Staatsanwalt sowie die Verteidigung ihre Schlussvorträge und stellen ihre Anträge. Der Angeklagte hat dann das „Recht des letzten Wortes“.

Darauf folgt die Urteilsberatung sowie die Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung. Möglicher Ausgang ist dabei u. a. ein Freispruch oder eine Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe. Möglich ist auch ein teilweiser Freispruch sowie die Verhängung eines Fahr- oder Berufsverbots.

Ein Verteidiger kann in der Hauptverhandlung aktiv mitwirken, indem er – abgestimmt auf die Verteidigungsstrategie – etwa Entlastendes darstellt oder belastende Beweise erschüttert. Ist ein Freispruch realistisch nicht zu erwarten, kann die Verteidigung darauf ausgerichtet sein, die Rechtsfolgen einer Verurteilung so gering wie möglich zu halten (sog. Strafmaßverteidigung).

Rechtsmittelverfahren

Gegen erstinstanzliche Urteile des Amtsgerichts kann grundsätzlich Berufung eingelegt werden. Eine zulässige Berufung führt zu einer neuen Hauptverhandlung, für welche die sogenannte kleine Strafkammer des Landgerichts zuständig ist. In dieser können auch neue Beweismittel eingeführt werden (sog. zweite Tatsacheninstanz). Ebenso sind Opportunitätseinstellungen gemäß §§ 153 ff. StPO sowie § 47 JGG weiterhin möglich.

Die Berufung muss im Regelfall binnen einer Woche nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils beim Ausgangsgericht zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. Eine Beschränkung der Berufung ist zulässig.

Hat ausschließlich der Angeklagte Berufung eingelegt, darf er hierdurch nicht schlechter gestellt werden, als wenn er keine Berufung eingelegt hätte (Verbot der Verschlechterung, § 331 StPO).

Gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts ist keine Berufung möglich.

Die Revision hingegen ist gegen alle erstinstanzlichen Urteile sowie Berufungsurteile möglich. Im Unterschied zur Berufung erfolgt bei der Revision lediglich eine rechtliche Überprüfung; sie bietet keine zweite Tatsacheninstanz mit erneuter Beweisaufnahme.

Auch die Revision muss im Regelfall binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils beim Ausgangsgericht zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. Sie erfordert einen Antrag sowie eine von einem Verteidiger unterzeichnete Begründung.

Eine erfolgreiche Revision führt in der Regel zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an eine andere Abteilung/Kammer des Ausgangsgerichts. Ebenso ist eine teilweise Aufhebung möglich. Ausnahmsweise kann das Revisionsgericht auch eine eigene Entscheidung in der Sache treffen wie z.B. (Teil-)Einstellung oder Teil-(Freispruch). Auch im Revisionsverfahren kommen Opportunitätseinstellungen (§§ 153 Abs. 2, 154 Abs. 2 StPO) zum Teil  in Betracht.

Sofern nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, gilt gemäß § 358 Abs. 2 StPO ebenfalls das oben genannte Verschlechterungsverbot.

Vollstreckungsverfahren

Ist das Urteil rechtskräftig, wird dieses im Vollstreckungsverfahren umgesetzt. Ein Urteil ist rechtskräftig, wenn es keine Rechtsmittel mehr gegen dieses gibt – etwa weil ein solches nicht fristgerecht erhoben wurde oder weil diese bereits ausgeschöpft wurden.

Die verhängte Strafe wird durchgesetzt: Bei Geldstrafen erfolgt eine Zahlungsaufforderung, bei Freiheitsstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden, erfolgt eine Ladung in eine Justizvollzugsanstalt (JVA).

Bei der Geldstrafe sind unter Umständen Zahlungserleichterungen, etwa Ratenzahlung, möglich. Wird die Geldstrafe nicht gezahlt, droht eine Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB. Zwei Tagessätze Geldstrafe entsprechen hierbei einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Diese kann gegebenenfalls durch unbezahlte, gemeinnützige Arbeit gemäß § 459e StPO abgewendet werden.

Hinsichtlich der Freiheitsstrafe ist ein Vollstreckungsaufschub, z.B. vorübergehender Aufschub nach § 456 StPO möglich. Nach Verbüßung eines Teils der Strafe kann zudem eine Strafrestaussetzung beantragt werden.

Für Betäubungsmittelabhängige besteht nach § 35 BtMG unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, anstelle des Strafvollzugs eine suchttherapeutische Behandlung zu absolvieren („Therapie statt Strafe“).

Ein Verteidiger kann Sie in diesem Verfahrensabschnitt mit entsprechenden Anträgen oder hinsichtlich z.B. Hafterleichterungen unterstützen.

Ihr Ansprechpartner – egal in welchem Verfahrensabschnitt

Egal, in welchem Abschnitt des Strafverfahrens Sie sich befinden – Rechtsanwalt Gunnar Endruschat steht Ihnen beratend zur Seite und entwickelt gemeinsam mit Ihnen eine individuelle Verteidigungsstrategie. Nehmen Sie gerne Kontakt für ein kostenloses, unverbindliches Erstgespräch auf.